Wenn sich Berge auftun

Das Alpenbrevet ist DIE Herausforderung für Berufs- oder Hobby-Athleten. In fünf Tourkategorien darf man sich mit Rennrad-Begeisterten messen. Ich stellte mich der Goldtour über vier Alpenpässe und durfte feststellen, dass die monumentale Kulisse zu Höhenflügen verhilft.

Herausforderungen pflastern meinen Weg durch mein Leben. Ob in beruflicher Hinsicht als selbständiger Unternehmer mit Bamert.io oder in sportlicher Hinsicht als Hobby-Athlet. In jedem Jahr stecke ich mir Ziele. Aber eben nicht nur beruflich, sondern auch sportlich. Nach einem Marathon im Jahr 2021 entschied ich mich in diesem Jahr für eine Rennrad-Aufgabe. Das Alpenbrevet. Vier Pässe, 5’080 Höhenmeter und 212 Kilometer.

Am 3. September war es dann soweit. Nach einer ruhigen Nacht in den Bergen startete in Andermatt eine stattliche Zahl an Teilnehmern mit dem Ziel, die vier Alpenpässe Furka, Nufenen, Lukmanier und Oberalp zu bezwingen. Meine Wenigkeit wusste um die Schwierigkeit des Bestehens in den Alpen. Vor allem, wenn auch die Wettervorhersage nicht wirklich viel gutes Versprach. Dick eingepackt fuhr ich die ersten Meter aus Andermatt hinaus. Der Regen mochte sich noch nicht durchzusetzen und dementsprechend konnte ich den ersten Aufstieg zum Furkapass auf 2’429 m.ü.M. richtig geniessen. Die Sonne zeigte sich, die Beine waren frisch und die Stimmung der Teilnehmenden grossartig. Nach ein bisschen mehr als zwei Stunden war die erste Hürde geschafft. Jetzt Abfahrt nach Ulrichen im Wallis. Zwischenverpflegung, Beine lockern. Nicht zu viel Zeit verlieren. Immer den Kontrollschluss um 12:00 Uhr in Airolo im Hinterkopf.

Ab aufs Velo mit Ziel Nufenenpass auf 2’478 m.ü.M. Der jüngste und zugleich höchstgelegene Pass der Schweiz wusste, wie man Hobby-Athleten wie mich in die Schranken weist. Man gebe eine starke Prise Regen gleich zum Anfang der Herausforderung, versüsse den weiteren Anstieg mit ein wenig Sonne, um zum Schluss mit einer Nebelwand abzuschmecken. Kurz nach 11:00 Uhr war dieses Monster bezwungen. Die 8.6 Prozent Durchschnittssteigung haben bei mir in Form von Muskelverhärtungen im Oberschenkel ihre Spuren hinterlassen. Aber hey, der zweite Pass war nach rund 56 gefahrenen Kilometern bezwungen. Nur noch 160 Kilometer bis ins Ziel. Easy.

Die Abfahrt nach Airolo gestaltete sich schwierig. Nebel und Nässe trugen zu einer glatten Fahrbahn bei. Um 11:30 Uhr Zwischenverpflegung. Der Kontrollschluss war geschafft. Der Weg nun frei bis ins angestrebte Ziel zurück in Andermatt. 

Die weiteren 60 Kilometer wurden zur Bewährungsprobe. Nicht weil es den Berg hinauf ging, sondern weil es gefühlt auch von unten regnete. Die Strasse war kaum zu sehen. 

Immerhin ging es bergab. In Biasca beruhigte sich die wetterbedingte Situation und ich konnte den 40 Kilometer langen Anstieg zum Lukmanier in Angriff nehmen. Eine schöne Route, zum Teil auch auf Nebenstrassen, brachte mich bis Olivone. Die dritte Station der Zwischenverpflegung kam wie gerufen. Warme Bouillon, auffüllen der Flaschen, vergeblich versuchtes Trocknen der Kleidung. Zurück auf den Sattel.

Noch ein bisschen mehr als 1’000 Höhenmeter bis auf den Lukmanierpass. Eigentlich nicht so viel. Doch die Beine sagten etwas anderes. Dazu kam, dass der Himmel ein weiteres Mal seine Schleusen öffnete. So verkam der Aufstieg zur Tortur. Der Körper bettelte um Gnade.

Der Kopf sagte nein. Und so kam es, dass ich kurz nach vier auch den dritten Pass hinter mir liess. Was für ein Moment, was für ein Gefühl. Unbeschreiblich. Die Abfahrt rief. Kalt wars. Aber die Sonne zeigte sich. Wunderbar. In Disentis angekommen, stärkte ich mich nochmals mit allen möglichen Gels und Getränken. Wichtig, nach 4’000 Höhenmetern und 180 Kilometern in den Beinen.

Die restlichen 30 Kilometer führten mich über den Oberalppass. Ich war wie beflügelt. Das Ziel war so nah. Der Kopf war frisch. Die Beine nicht. Egal. Los ging es. In Sedrun gab Petrus nochmals alles. Es schüttete wie aus Kübeln. Die Fahrbahn war teilweise nicht mehr zu sehen. Aber auch dieses Hindernis wurde bezwungen. Je näher die Passhöhe kam, desto mehr zeigte sich die Abendsonne. Die Serpentinen glänzten, die Zuschauer feierten. Und so genoss ich die restlichen Höhenmeter hinauf zum Pass. 

Die Abfahrt nach Andermatt wurde zur Triumphfahrt. Schon jetzt liess ich den Tag, die Strecke, die Höhenmeter und die Kilometeranzahl Revue passieren. Ich konnte mit der Einfahrt ins Ziel fast nicht glauben, dass ich die Goldtour soeben bezwungen habe.

Author: Mathias Bamert – Foto: Aufstieg zum Nufenenpass auf 2’439 m.ü.M.

mehrere Velostorys