Meine Liebe zu Holland-Fahrrädern und dem Swing der Bigbands rund um den zweiten Weltkrieg gehen miteinander einher. In praktisch allen Filmen die die Epoche zwischen 1939 und 1945 thematisieren, sieht man irgendwo ein „Hollandvelo“. Dass meines nicht mehr ganz original ist, sondern ein aufgepimpter Retrogöppel mit englischen Brooks-Accessoires wie Sattel und Handle Bars, möge mir verziehen sein, immerhin kommt es aber wirklich aus Amsterdam.
Sitze ich auf diesem schweren „Göpel“ und radle in fast senkrechter Haltung umher, habe ich innerlich fast immer den Hauch von Glenn Miller, Tommy Dorsey oder Vera Lynn in den Ohren. Vielleicht lache ich deswegen oft vor mich hin. Denn wegen dem Velo an sich gibt es nichts zu lachen: Wirklich effizient kann man nicht radeln, die Sitzhaltung verhindert es, einen Berg hoch zu strampeln. Aus dem Sattel zu steigen um besser in die Pedale stehen zu können am Berg, ist bei solchen Modellen fast unmöglich. Die sind konzipiert zum esay cruising auf gerader Ebene oder Sonntags lecker Brötchen holen auf Sylt oder auf der Insel Norderney.
Gerade deswegen ist mir eine Geschichte ganz besonders hängen geblieben. Ich hatte mir meine Electra zum 50igsten gekauft, war mit mir und der Welt höchst zufrieden und fuhr, wie erwähnt, mit einem Lächeln durch die Strassen Winterthurs, als mich einer dieser Pseudorennfahrer keuchend überholte: Sein Outfit war an Perfektion nicht zu überbieten: Farblich war das aber sowas von tadellos, sogar die Schuhe und Socken waren präzise abgestimmt. Und das alles hatte der Kerl in einen Dress Grösse 50 gequetscht, obschon vermutlich eine XXL bei ihm schon Slimfit ist, quasi Bud Spencer zu Rad.
Aber auf was für einem! Ich konnte so viel Carbon, Waben-Technologie und anderes Hightech erkennen, dass ich mich fragte, ob die NASA jetzt auch Fahrräder baut. Denn dieses Rad musste von der NASA sein, konzipiert für die nächste geheime Mission auf dem Mars. Nur so konnte ich mir erklären, weshalb ich nirgends weder ein Logo noch ein Emblem erkennen konnte. Aber das wollte ich unbedingt wissen. So begann ich eben chli zu stampfen und fuhr nett im Windschatten hinterher, hoffend, irgendwo ein Erkennungszeichen zu finden.
Sehr zum Unwohlsein des „Vormirs“, er begann ebenfalls in die Pedalen zu steigen, ganz offensichtlich legte er nicht viel Wert auf meine Gesellschaft. Und so ging das Spiel über eine ganz Zeit, ich fuhr näher, er ging wieder weg, ich holte ihn ein, er fuhr wieder weg, ich quälte mich auf meiner Electra, er schnaufte auf seinem „Mission impossible-bike“.
Dieser Kindergarten wurde mir zu blöd: Ich überraschte ihn mit einem klassischen Spurt und meinem Lächeln: „He, das isch äs unglaublichs Teil, wo gits das?“ Sein Blick war etwa so, wie wenn ein „Fast and Furios-Posser“ von einem Trabi am Grünlicht stehen gelassen wird. Auch seine Wortwahl mir gegenüber war nicht zwingend schmeichelhaft. Insgeheim glaubte ich aber zu spüren, dass er jetzt dann gleich am nächsten Baum anhält und sich dort ausweint: „Mich hat einer auf einem Holland-Velo“ überholt….“ Schon unglaublich, welche Leidenschaft einem Rad bisweilen geschenkt werden kann. Für mich unverständlich, denn wer ein Holland-Velo fährt, gibt ein chilliges Statement ab, das keinen weiteren Kommentar braucht.
Peter Pfändler. Kabarettist (Gewinner Prix Walo), Moderator und Dozent für Unternehmenskommunikation